Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Allgemeine Fragen zu GPS und verwandten Themen

Moderator: Roland

Schiller
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Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Schiller » 04.11.2009 - 13:44

Hallo alle miteinander,

nach 2 Jahren, in welchem ich schon einige Male mit GPS zu tun hatten und immer wieder über dieses Forum stieß, melde ich mich nun doch mal an und hoffe auf ein paar geistige Inspirationen eurerseits! ;)

Ich habe mehrer Bücher vor mir liegen, unteranderem "Vermessung und Ortung mit Satelliten" von Manfred Bauer.
Den iterativen Algorithmus zur Bestimmung der Psoitionen ist mir relativ klar.
Dennoch bin ich auf zwei Verständisprobleme gestoßen.

1. Wieso wird in erster Näherung der Berechnung der Satellitenkoordinaten die Empfängeruhrzeit um bspw. 0,07s angepasst und nicht gleich der Zeitstempel aus dem Subframe 1 verwendet?

2. Woher bekomme ich die Näherungskoordinaten ohne diese explizit eingeben zu müssen?
(Ich habe diese Forum schon erfolglos durchstöbert)

Ich hoffe, ihr könnt mir aushelfen.

mfg

Schiller
Zuletzt geändert von Schiller am 04.11.2009 - 22:54, insgesamt 1-mal geändert.

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Jörn Weber
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Druchlauf mit Gauss

Beitrag von Jörn Weber » 04.11.2009 - 20:10

Schiller hat geschrieben: 1. Wieso wird in erster Näherung der Berechnung der Satellitenkoordinaten die Empfängeruhrzeit um bspw. 0,07s angepasst und nicht gleich der Zeitstempel aus dem Subframe 1 verwendet?
Weil zwischen dem ersten Satelliten und dem Empfänger ein unbekannte Laufzeitdifferenz liegt. Die genaue Laufzeitdifferenz zum ersten Satelliten ist erst dann bekannt, wenn der Fix halbwegs steht. Um eine provisorischen Fix zu bekommen wird die Laufzeitdifferenz relativ zu lokalen Zeitbasis verwendet, egal wie diese ausschaut. Damit die Schleife nicht über Ihr Ziel hinaus schießt, geht man dementsprechend vorsichtig zu Werke. Rechne mal aus, welche Strecke das Signal in 70 Millisekunden zurücklegt.
2. Woher bekomme ich die Näherungskoordinaten ohne diese explizit eingeben zu müssen?
Aus einem groben Fix, den man im Zweifel über die Almanach-Daten der ersten drei empfangbaren Satelliten berechnet. Sobald man die Ephemeriden besitzt, verwendest Du dann diese.

Willst Du einen Empfänger bauen?

Gruss Joern Weber

Schiller
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Druchlauf mit Gauss

Beitrag von Schiller » 04.11.2009 - 22:53

Hallo Joern,

danke für deine Antwort. Ich versuche das mal zu verarbeiten.

Das von der Erde auf ca. 20.000 km Bahnhöhe mit Lichtgeschwindigkeit 0,066s zurückgelegt werden und damit auch die 0,07s Nährerung entstehen habe ich mir im Vorfeld schon gedacht. Nur verstehe ich nicht sorecht, warum man sich an die Ephemeridenreferenzzeit herantasten muss, wo man sie doch mit dem Zeitstempel im HOW (or wherever) bekommt. ( kann sein, das ich hier etwas durcheinander haue! ;( )

Die Almanachdaten enthalten doch die groben Bahndaten der, sich in der Nähe befindlichen, Satelliten. Projeziere ich deren Position auf die Erdoberfläche und bilde einen Mittelwert um einen Näherungswert der Gegend um den Empfänger zu erhalten? Um das mal zu kokretisieren, ich suche nach einer Möglichkeit, die Empfängerkoordinaten zu schätzen, da ich diese ja für den Gauss benötige.

Nein, ich möchte keinen Empfänger basteln. :)
Glaube auch, dass ich damit wohl noch gut einige Jahre zu tun hätte. Vielmehr würde mich interessieren, ob ich mit dem Rohdatenstream receiverunabhängig eine Positionsbestimmung vornehmen kann. Ich habe gelesen, dass die Pseudostrecken, der integrierte Doppler und die Phase ausgegeben werden.

Ich hoffe, du/ihr kannst/könnt mich einwenig aufklären! ;)

Vielen Dank

Schiller

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Roland
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Roland » 05.11.2009 - 19:32

Hallo,

ahh, ein Opfer ...

Ohne überflüssige Blicke in die Fachliteratur mein Tipp:
Für Lösungen des Rückwärtsschnitts mit Pseudostrecken hatte ich als Näherung spaßeshalber Greenwich gewählt.
Eine Frage der Ehre.
Die Iteration verlief zügig. Der Punkt lag dann in Deutschland.

Wenn Du ganz allgemein eine Näherung suchst - wie wär's mit 0-0-0 ?
Ob der Algorithmus immer gutmütig ist ...


Grüße Roland

Schiller
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Schiller » 05.11.2009 - 20:59

Hallo Roland,

also in dem Buch stand etwas von der Annahme, dass die Empfängerkoordinaten auf +/- 1 ° bekannt sind. Nur ist mir nicht ganz klar, woher man solche Näherungskoordinaten erhalten soll, also ganz ohne gespeicherte alte Koordinaten. Ich werde aber gern mal den Ursprung versuchen und später berichten wie stabil es bei mir "löst" oder auch nicht.

Das mit dem "Opfer" las ich schon des öfteren. ;)

Hast du vielleicht noch gute Quellen für die Algorithmik parat??

mfg

Schiller

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Jörn Weber
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Druchlauf mit Gauss

Beitrag von Jörn Weber » 05.11.2009 - 21:32

Schiller hat geschrieben:Hallo Joern,

danke für deine Antwort. Ich versuche das mal zu verarbeiten.

Das von der Erde auf ca. 20.000 km Bahnhöhe mit Lichtgeschwindigkeit 0,066s zurückgelegt werden und damit auch die 0,07s Nährerung entstehen habe ich mir im Vorfeld schon gedacht. Nur verstehe ich nicht sorecht, warum man sich an die Ephemeridenreferenzzeit herantasten muss, wo man sie doch mit dem Zeitstempel im HOW (or wherever) bekommt. ( kann sein, das ich hier etwas durcheinander haue! ;( )
Wenn der vom Satelletten ausgesendete Zeitstempel beim Empfänger ankommt ist bereits eine unbekannte Zeit vergangen. im Durchschnitt sind das 70 Milisekunden.
Schiller hat geschrieben: Vielmehr würde mich interessieren, ob ich mit dem Rohdatenstream receiverunabhängig eine Positionsbestimmung vornehmen kann.
Ich verstehe diese Frage nicht richtig. Rohdaten-Streams sind immer vom jeweiligen GPS-Chipsatz abhängig. Es gibt keine Norm für dessen Format.


Gruss Joern Weber

Schiller
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Schiller » 06.11.2009 - 09:29

Hallo Joern,

Mmh, berechne ich denn nicht die Koordinaten des jeweiligen Satelliten zum Zeitpunkt der Aussendung am Sat. über die Ephemeridenreferenzzeit?

Für die verschiedenen Receiver müßte man natürlich jeweils einen Wrapper schreiben. Sind sich aber nicht die Rohdaten vom Inhalt oder vielmehr der Information her recht ähnlich?

mfg

Schiller

ssquare_de
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von ssquare_de » 06.11.2009 - 11:16

Hallo schiller,



im Receiver bedingen sich synchrone GPS-Systemzeit und Receiverposition gegenseitig. Du kannst nicht das eine ohne das andere berechnen.
Deswegen auch die 4 Unbekannten, die 3 Koordinatenkomponenten und die Uhrzeit ( bzw. der Empfängeruhrfehler) , in den 4 Startgleichungen aus 4 gleichzeitigen Satbeobachtungen.
Das Gleichungssystem ist nicht linear.
Deshalb muss mit Näherungswerten begonnen werden, um eine iterative Lösung zu berechnen.
Die Näherungswerte der Satellitenpos. lassen sich aus den Pseudo-Keplerelementen der Navigation Message berechnen, der Satellitenuhrfehler aus den Uhr-Polynomkoeffizienten.

Du darfst bei der GPS-Systemzeit nicht vergessen, dass sowohl in den Sats ( trotz Atomuhren an Bord), als auch besonders in den Empfängern ( wegen der "ungenauen" Schwingkreise) immer Uhrenfehler vorhanden sind.




Die sogenannten Rohdaten werden von jedem Empfänger empfangen und ausgewertet!

Sie sind die Eingangswerte in den integrierten Navigationsrechner eines autonomen GPS-Empfängers, der dann aber per ausgeklügelter Firmware in die endgültige Positionsberechnung auch noch Expertenwissen seiner Entwickler mit einfliessen lässt, um die Positionsberechnung zu verbessern. (Multipatherkennung, Gewichtung der verschiedenen Sateingangssignale aufgrund Elevation, Signalstärke...)

Diese Rohdaten werden bei einigen Empfängern am Navigationsrechner vorbei aufgezeichnet ( für späteres Postprozessing ) oder gleich in Echtzeit (RTK) mit anderen Verfahren ( relative Positionsbestimmung in Verbindung mit anderen Empfängern) zu hochgenauen Positionsberechnungen herangezogen, die die Präzision und Genauigkeit der Berechnungen autonomer Empfänger weit übertreffen.



Stefan

Schiller
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Schiller » 06.11.2009 - 12:22

Hallo Stefan,

danke für die ausführlichen Informationen bzgl. dieser Problematik. Ich beschäftige nun seit fast 3 wochen intensiv mit dem Thema und muss sage, dass es weitaus komplexer ist als ich mir das vorerst vorstellte. Aber das macht es ja nur charmanter! ;)

Die Themen der relativistischen Uhrenfehler habe ich mir schon angesehen und hoffe das nun auch verstanden zu haben. Es gibt ja etliche Fehler, welche zu korrigieren sind . (ionosphärische, troposphärische und systemtechnische Fehler sowie die Korrektur der Antennenphasengeometrie und natürlich die Uhrenkorrektur)

Das führe ich nur auf, weil ich jetzt niemand bin, der einfach mal ins blaue hinaus in irgendwie Forum fragt, weil er zu faul ist, sich selber Wissen anzueignen! ;)

Das mathematische Prinzip der Nichlinearisierung und dem anschließenden auflösen der Gleichung durch bspw. Gauss habe ich auch soweit verstanden.

Nur habe ich echt damit Probleme, mir das vorzustellen mit der Systemuhrzeit, bzw. der Satellitenkoordinatenberechnung. Ich kann das ja mal laienhaft nach meinem Verständnis zusammenfassen:

1. Die Ephemeriden enthalten die kepplerschen Argumente zur Beschreibung der Bahn des Satelliten als Funktion der Zeit. (bin mir nicht sicher, ob das schon
die gestörte Bahn durch Effekte wie der unterschiedlichen Gravitationen ist)

2. Im Subframe 1 ist der Zeitstempel der Satellitenurhzeit enthalten (inkl. Korrekturwerte für relativistische Effekte und Drift) und auch die
Ephemeridenreferenzzeit.

3. Der Receiver empfängt nun das Signal.........und nun beginnt er aus den Daten die Koordinaten des Satelliten zu berechnen. Dafür benötigt er natürlich die
Differenz zu dem Zeitpunkt der Ephemeridenreferzzeit.

---> und hier setzt es bei mir aus

Frage: warum nimmt man für die erste Näherung der Koordinaten des jeweiligen Satelliten den Zeitstempel beim Empfang der Signals vom Receiver und
subtrahiert dann eine geschätzte Laufzeit.
-> Man könnte doch auch den Zeitstempel der Aussendung aus Subframe 1 verwenden.
-> Die fragestellung hat nichts mit dem Uhrzeitfehler zu tun, welche durch Taylor und Gauss herausgerechnet werden.

Soo, entschuldigt, wenn ich so auf dem Schlau stehe! :(

mfg

Schiller

PS: Je mehr ich im Forum stöber, desto weniger scheine ich gewußt zu haben! ;)

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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von ssquare_de » 06.11.2009 - 12:57

Hallo Schiller,



vielleicht hilft dir das Kompendium weiter.
http://www.u-blox.com/images/downloads/ ... 007%29.pdf
Schau dir mal die relevanten Kapitel durch.
Wenn was offenbleibt, wird dir hier sicher gern geholfen werden.


Stefan

Deichgraf
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Deichgraf » 06.11.2009 - 13:09

... die Laufzeitmessung der Signale ist hier doch gut und verständlich beschrieben:

http://www.kowoma.de/gps/Signalverschiebung.htm

:wink:

Schiller
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Schiller » 06.11.2009 - 13:31

@ Deichgraf : Das mit der Laufzeitmessung durch Phasenverschiebung der zwei Signale bzw. Korrelation im Receiver war eigentlich nicht meine Frage.
Danke trotzdem für deine Antwort.

@ Stefan: Ich werde mal ins Compendium schauen und versuchen, die Frage zu klären. Mal schauen, ob da mehr steht als in den Bücher hier um mich herum. :)

Danke an alle

PS: Vielleicht habe ich mich auch nur unverständlich ausgedrückt. Nicht die Art der Signalwegberechnung überlastet mich geistig, sondern der Bezug der Parameter. Wenn ich von dem empfangenen Zeitstempel aus Subframe 1 70ms abziehe, so habe ich doch eine geringere Fehlerkomponente als wenn ich dies von dem Zeitstempel des Receivers abziehe. Denn die daraus berechneten Satellitenkoordinaten stellen in dem Gleichungssystem ja "Konstanten" dar.

mfg

Alex
Zuletzt geändert von Schiller am 06.11.2009 - 14:27, insgesamt 1-mal geändert.

ssquare_de
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von ssquare_de » 06.11.2009 - 14:27

Hallo Alex,



...mehr wahrscheinlich nicht, aber vielleicht anders verpackt und aufgemacht.
Und auf einmal erkennt man dann ein kleines Lichtlein am Ende des Tunnels.

Den Effekt hab wenigstens ich schon öfters erlebt. :)


Stefan

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Jörn Weber
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Jörn Weber » 06.11.2009 - 20:34

Hallo,
Schiller hat geschrieben: Wenn ich von dem empfangenen Zeitstempel aus Subframe 1 70ms abziehe, so habe ich doch eine geringere Fehlerkomponente als wenn ich dies von dem Zeitstempel des Receivers abziehe.
Korrekt. Denn auch die Subframe 1 benötigt ca. 70 ms vom Satelliten zum Empfänger. Sie ist, wie schon Stefan schrieb auch eine Unbekannte im Gleichungssystem. Ein Iteratives (Näherungs-)System wird um so schneller durchlaufen, je präziser die Ausgangsparameter sind. Des wegen werden geschätzte 70 ms schon als Vorgabe angesetzt. Würde man mit 0 beginnen, dann würde der Kaltstart des Empfängers eine Ewigkeit dauern. Die ersten Schleifendurchläufe der Itterations-Schleife werden durch diesen Offsetwert eingespart.

Gruss Joern Weber

Schiller
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Re: Näherungskoordinaten für ersten Durchlauf mit Gauss

Beitrag von Schiller » 06.11.2009 - 23:30

Hallo Joern,

ich denke, so langsam lichtet sich alles. Ich bin mal gespannt, was bei den ersten Iterationen herauskommt und ob es mir gelingt, einen vernünftigen Algo zu implementieren.

mfg

Schiller

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